Oper von Hector Berlioz
Fausts Verdammnis
Die Aufführungen, die wir auf den Domstufen bisher erlebt haben, habe ich nicht gezählt. Genauso wenig die Aufführungen, bei denen wir nass geworden sind. Dieses Mal hat die Theaterleitung offensichtlich einen Pakt mit Petrus geschlossen, denn der um 15 Minuten verzögerte Beginn ist mit dem Ende des Regens zusammengefallen. Mit Regencapes haben wir unsere Plätze eingenommen und konnten diese unmittelbar nach dem Beginn wieder ausziehen.
Wie jedes Jahr war das eine grandiose Aufführung. Den Stoff konnte jeder, der in der Schule den Faust gelesen hat, mehr oder weniger nachvollziehen. Somit konnte man die Handlung trotz des Gesangs in Französischen Original durch die deutschen „Untertitel“ gut nachverfolgen.
Die Opernkritik bei https://www.concerti.de/oper/opern-kritiken/ von Roland H. Dippel ist so treffend und bilderhaft, so dass ich daraus nachfolgend einige Textpassagen zitieren werde.
Eine Beschreibung der Originalhandlung findet man z.B. in https://www.8ung.info/fausts-verdammnis-berlioz-oper-1-inhalt-handlung/
Deutsch-französische Freundschaftsoper
Dieser „Faust“ ist nicht von Goethe, aber in Erfurt dennoch am rechten Platz im Sinne der Regionalgeschichte. Regisseur Ben Baur ist die perfekte Person für das theatrale Total-Unterfangen im Dienste von Berlioz. Eine sagenhaft glückvolle Eröffnung der Domstufen-Festspiele.
Nach dem Volksbuch von 1567 soll der Teufelsbündler und Wunderheiler Faust mehrfach in Erfurt aufgeschlagen sein, unter anderem als „Heidelberger Halbgott“. Das Faustgäßchen erhielt seinen Namen offiziell 1850, hieß im Volksmund aber schon weitaus früher so. Wie wichtig der Fauststoff für Erfurt war, beweisen drei Monumentalbilder im Erfurter Rathaus, geschaffen 1894 von Eduard Kaempffer aus der Düsseldorfer Malerschule. Seine Motive stehen ebenso wenig in Beziehung zu Goethes zwei Tragödien-Teilen wie Berlioz‘ collageartige Konzerttheater- und Kopfkino-Dramaturgie. Denn bei Kaempffer und Berlioz fährt Faust nicht zum Himmel, sondern zur Hölle.
Französische Revue über Deutschland
Gretchen am Spinnrad seufzt und schmachtet ihre Sehnsucht nicht vor, sondern nach der geschlechtlichen Vereinigung mit Faust. Und nicht zuletzt ist „La damnation de Faust“ eine musikalische Deutschland-Reise mit Tourismus-Appeal, in der Berlioz allerlei Klischeebilder Frankreichs über seine kleinstaatlich diffusen Nachbarn reihte. Alles in allem also brillante Szenen- und Musikanlässe mit bildungshaltigen Genussmomenten.
Mit grandiosem Orchesterapparat und großartigen Chorszenen vermochte Hector Berlioz, Visionen des Infernalischen und sphärenhafte Klänge zu erzeugen. So frei er mit dem Handlungsgerüst von Goethes Dichtung auch umging, dem Geist des Werkes fühlte er sich verpflichtet: die Sinnsuche des Menschen zwischen Lebensgier, Berufung und Moral (https://www.domstufen-festspiele.de/).
Auch Berlioz‘ Faust erwacht mit der frühlingshaften Natur zu neuem Leben, bis er durch eine kriegerische Szenerie aus seinem Überschwang in Depressionen verfällt. Erst ein Osterchoral wandelt seine Traurigkeit in freudige Erwartung und macht ihn bereit für Mephistos Angebot, ihm die „wahrhaftige Welt“ zu zeigen.
Der große Verführer Mephisto lockt Faust zum Besäufnis in Auerbachs Keller.
Jetzt wächst in Faust die Sehnsucht nach der schönen jungen Marguerite. Fausts Verlangen wird so stark, dass er sich nun uneingeschränkt der Führung Mephistos ausliefert.
Uta Meenens Kostüme machen listigen Sinn: Gretchen trägt zitronengelbe Zöpfe. Um mindestens eine Generation verjüngt ist sie und fährt Fahrrad. Wenn das Mädel Marguerite von Schmuck träumt, nahen sich ihr mit blonden Zöpfen und Perlenketten bestückte Männer. Mephisto schenkt ihr dann noch elegante Schuhe, so dass sie ihre Gummistiefel ablegen kann.
Marguerite trifft den Mann ihrer Träume – Faust. Offensichtlich bereut sie später die Vereinigung mit ihm, denn sie zieht wieder ihre Gummistiefel an.
In großartigen Szenen wird die Geburt des Kindes und die Verzweiflung von Marguerite gezeigt. Sie ertränkt das Kind im Brunnen.
Marguerite ist verzweifelt. Sie wird von Komödianten aufgemuntert. Als Faust erfährt, dass Marguerite verurteilt wurde, schließt er mit dem Teufel einen Pakt ab, dass er Marguerite retten soll. Sie wird in den Himmel geführt.
Mephisto stimmt hoch über den Domstufen dem Pakt mit Faust unter der Bedingung zu, dass Faust ihm ab morgen dienen wird. Faust will seine Marguerite schon heute retten und unterschreibt den Pakt mit dem Teufel. Daraufhin setzt Mephisto ihn aufs Pferd und sie reiten durch die Welt – allerdings kommen sie nicht bei Marguerite an, sondern in der Hölle.
Im lackleuchtenden Auto jagt zum Schluß der Dirigent Clemens Fieguth aus dem Orchesterprobensaal des etwa einen Kilometer entfernten Theater Erfurt herbei, aus dem das Philharmonische Orchester Erfurt akustisch und visuell zu den Domstufen seine Musik per Lichtwellenleiterkabel überspielt. Er wird von Marguerita abgeholt.