Nepal Tag 3-04_Patan

Die Gründung der Stadt Patan, die auch den Namen Lalitpur trägt, reicht weit in mythologische Urzeit zurück und wird mit folgender Legende in Verbindung gebracht. Einst kam ein leprakranker Bauer namens Lalita über den Bagmati, um Gras für sein Vieh zu schneiden und stieß dabei auf eine magische Quelle, die seine Krankheit heilte. Daraufhin beschloss König Bir Deva, seine Hauptstadt an dieser Stelle zu errichten.

Die Reste vier uralter Stupas vor den Toren der Stadt zeigen, dass die Wurzeln Patans in vorchristlicher Zeit liegen. Sie markieren die vier Himmelsrichtungen und waren auf einen großen zentralen Stupa im Schnittpunkt der Koordinaten orientiert, der heute als Malla Durbar (Durbar Square) das Stadtzentrum bildet. Erst vor etwa 50 Jahren fielen die Reste des zentralen Stupa der Stadtsanierung zum Opfer.

Bis heute ist Patan mit 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Tales, diesem uralten buddhistischen Gliederungsprinzip des Mandala unterworfen.

Der Hinduismus hielt Ende des 14. Jh. mit dem Bau des Shiva-Tempels Kumbheshavara nahe des nördlichen Stupa Einzug. Im 17. Jh. wurde die Nord-Süd-Achse als Teil des wichtigen Handelsweges von Indien nach Tibet mit Errichtung des Matsyendranath-Tempels betont und damit dieser Gottheit eine Vorrangstellung eingeräumt. Das Heiligtum liegt in unmittelbarer Nähe des buddhistischen, bereits aus dem 15. Jh. stammenden Minanath-Schreins, geweiht einer Erscheinungsform des Avalokiteshvara, der sich für die Buddhisten auch hinter Matsyendranath verbirgt.

Die Denkmäler in Patan, die sich um den Durbar Square befinden, sind überwiegend religiöse Bauten, da der Palast durch Feuer (1663), Plünderung (1768) und Erdbeben (1933) weitgehend zerstört wurde. Seine heutige Gestalt verdankt der Platz bis auf wenige Ausnahmen erst durch die Bautätigkeit der Malla-Herrscher zwischen den Jahren 1600 und 1768.

Wir sehen den Sundhara Chowk, die ehemaligen Gemächer des Königs. Den zugemauerten Haupteingang bewachen ein Löwenpaar und Statuen von Narasimha (Vishnu in Löwengestalt), Ganesh und Hanuman. Herz des aus einer Klosteranlage hervorgegangenen Wohnkomplexes bildet ein reich verziertes, in den Boden eingelassenes Badebecken (Tusa Hiti), das auf König Srinivas Malla zurück geht. In den Nischen der Wände sieht man Darstellungen tantrischer Gottheiten, umschlossen von zwei Schlangen. Der Wasserspeier ist aus dem Rachen des Fabelwesens Makara (u. a. Fruchtbarkeitssymbol) geformt, darüber Vishnu mit Lakshmi auf einem Garuda.

Gegenüber erhebt sich der Chyasilin Deval, ein achteckiger Tempel, der auf Grund der ihn tragenden Pfeilerhalle und der Pavillons, aus denen der Shikhara-Turm empor wächst, recht elegant wirkt und eine für Nepal ungewöhnliche Architektur verkörpert.

Das Mul Chowk diente der Göttin Taleju als zweiter Wohnsitz, die eigentlich im angrenzenden Degutale-Tempel beheimatet ist. Sehr wahrscheinlich ist sie es, die sich hinter der geheimen tantrischen Gottheit verbirgt, die in der dreistöckigen Pagode an der Nordwestecke des Mul Chowk ihr zu Hause hat. Beachtenswert sind die Holzschnitzereien der tantrischen Astamatrkas und Astabhairavas an den Dachstützen im Hof. Vor dem Eingangsportal, das erst 1666 hinzugefügt wurde, hat König Vishnu Malla zu Ehren von Taleju eine große Glocke aufhängen lassen.

Der angrenzende Harishankar-Tempel ist auf Anregung von König Yogamati in Gedenken an ihren Vater Yoganarenda Malla neben der ihm gewidmeten Säule im Jahre 1706 entstanden. Verehrt wird hier Harishankar, in dem sich die Verbindung von Vishnu und Shiva als Ausdruck für das Absolute manifestiert. Die Konstruktion der Kultstätte orientiert sich am etwas nördlicher liegenden Vishveshvara-Tempel, weist allerdings im Gegensatz zu diesem drei Stockwerke auf.

Durch die hölzernen Pfeiler, die das untere Dach stützen, schufen die Baumeister eine harmonische Beziehung zu den ebenfalls auf Pfeilern ruhenden steinernen Krishna- und Chyasilin-Heiligümern, zwischen denen der Tempel liegt.

In seinem Schatten erhebt sich die Yoganarendra-Malla-Säule. Sie zeigt den König mit seinem Sohn. Hinter der Yoganarendra-Malla-Säule befindet sich der unscheinbare Narasimha-Schrein aus dem 16. Jh.

Als herausragendes Bauwerk dominiert der Degutale-Tempel die ehemalige Palastfront. Das auf quadratischer Basis ruhende Heiligtum wurde dem alten Palast im Jahre 1600 als eines der ersten Gebäude der Malla-Epoche hinzugefügt. Der dreistöckige Tempel ruht auf einem massiven Unterbau, der durch eine Galerie mit hölzerner Brüstung abgeschlossen wird. Die Stützbalken der weit überkragenden Dächer zeigen neben den üblichen Darstellungen von Matrkas auch die Flussgöttinnen Yamuna und Ganga.

An den Degutale-Tempel grenzt im Norden der Manikeshar Chowk, der den Platz des 1663 abgebrannten alten Palastes einnimmt. Heute ist in dem restaurierten Gebäude das Museum von Patan untergebracht. Dem Palast gegenüber liegen, leicht zurück gesetzt, zwei bedeutende Bauwerke.

Links erhebt sich der Charnarayan-Tempel. Geweiht ist er dem Gott Vishnu, der hier in vierfacher Gestalt auf einem Shiva-Lingam in Erscheinung tritt, wodurch die Einheit der beiden Gottheiten zum Ausdruck gebracht werden soll. Die Portalrahmen und Dachstreben sind kunstvoll geschnitzt und sicher die besten Arbeiten im Kathmandutal. Das Bauwerk ist – sonst eher eine Ausnahme in Patan – reich mit phantastischen, erotischen Darstellungen von Frauen, Männern und Tieren geschmückt.

Der benachbarte steinerne Krishnatempel Bala Gopala entstand 70 Jahre später und gilt als eines der schönsten Beispiele der Malla-Architektur. Eine Inschrift vergleicht den Krishnatempel mit dem hinduistischen Weltberg Meru, die Architektur zeigt hingegen deutlichen Einfluss der islamischen Mogulkunst. Auch der reiche florale Dekor an den Wänden des Arkadenganges deutet auf islamische Vorbilder hin. Die sehr schönen Steinfriese über den Bögen mit Szenen aus den Epen Mahabharata (im 1. Stock) und Ramayana (im 2. Stock) folgen ganz den hinduistischen Traditionen. Vor dem Heiligtum kniet auf einer Säule eine vergoldete Bronzefigur von Krishnas Reittier Garuda, die 1637 anlässlich der Einweihung des Tempels hier ihren Platz fand.

Der angrenzende Vishveshvara-Tempel geht auf König Siddhinarashima Malla zurück. Dieses im traditionellen Stil Nepals 1627 entstandene, dem Gott Shiva geweihte Heiligtum, zählt auf Grund seines reichhaltigen Figurenschmuckes zu den schönsten Bauwerken Patans. Die an Ost- und Westseite hinaufführenden Stufen werden von Löwen, Elefanten und einem Nandibullen bewacht, die Holzstützen der Dächer sind reich verziert.

Bewusst wurden die Treppen auf den gegenüber liegenden Mani Dhara Tank ausgerichtet, in dem der Priester vor dem Tempelzeremoniell das rituelle Bad vollzog und zu dem, so will es die Legende, die steinernen Elefanten beim Tode des Königs schritten, um das heilige Wasser zu trinken. Der Tank ist in Form eines Lotos gemauert und wird von zwei Pfeilerhallen begrenzt.

Den Abschluss des Palastbereiches bildet der Bhimasena Mandir, ein dreigeschossiger Bau aus dem Jahre 1681, der allerdings auf den Fundamenten eines aus der Vor-Malla-Zeit stammenden Heiligtums ruht. Verehrt wird hier Bhima, einer der fünf legendären Pandava-Brüder aus dem Mahabharata-Epos.

Das im ersten Stockwerk liegende Sanktuarium ist nicht zugänglich. Neben Götterbildnissen in den Toranas zeigen Reliefs an der äußeren Cellawand auch die Heldentaten Bhimas im Kampf gegen die Kaurava, einem legendären Volksstamm aus dem Mahabharata-Epos. Bereits in die Häuserzeile eingebaut, bildet der unauffällige Mani-Ganesh-Tempel den nördlichen Abschluss des Durbar Square.

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