Wegen des immer zu erwartenden Ansturmes auf den Tempelberg starten wir heute eine Stunde früher als sonst. Das hat sich gelohnt, denn „schon“ nach 90 Minuten haben wir das Ziel erreicht. Die Al-Aksa-Moschee und den Felsendom können wir als Nichtmuslime leider nur von außen ansehen. Die Verzierungen am Felsendom erinnern sehr an die Moscheen im Iran. Wir finden, dort noch kunstvollere Gestaltungen gesehen zu haben. Direkt neben dem Felsendom steht eine ebenfalls reich verzierte kleinere Moschee, bei der das Dach von Säulen getragen wird. Dort spielten kleine Kinder im Schatten unter Aufsicht von Erzieherinnen. Da haben wir unsere helle Freude, ihnen zuzusehen.
Bis heute hab ich nicht gewusst, dass der Tempelberg von Jordanien verwaltet wird. Das erzeugt natürlich nicht nur religiöse sondern auch politische Spannungen. So z.B. als Ariel Scharon sich mit Waffengewalt im Jahr 2000 Zugang zum Tempelberg verschafft hat . Das war dann der Anfang der zweiten Intifada, dem Aufstand der Palästinenser gegen Israel.
Auf dem Tempelberg hat bis zur Zerstörung durch die Römer der zweite jüdische Tempel gestanden, von dem nur noch die westliche Mauer übriggeblieben ist, die jetzt als Klagemauer der heiligste Ort des Judentums ist. Heute ist hier ein totales Tohuwabohu (an anderer Stelle hätte ich gesagt, hier ist der Teufel los. Angesichts der religiösen Umgebung verkneife ich mir das). Auf dem Weg zum Tempelberg begegnen uns immer wieder Gruppen fröhlicher, singender und tanzender Menschen, die jeweils unter einem Baldachin einen Jungen zur Klagemauer führen. So wird das jüdische Initiationsritual gefeiert, bei dem die Jungen in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden. Sie versammelten sich auf dem Platz vor der Klagemauer und vollziehen das religiöse Ritual. Durch den Westwalltunnel, dessen Ausgrabung 20 Jahre gedauert hat, führt uns der Weg durch den Suk zum österreichischen Hospiz. Dort genießen wir im Garten einen Cappuccino. Vom Dach hat man einen phantastischen Überblick über die Altstadt.
Unser Reiseleiter führt uns dann zum Zionsberg. Dort besuchen wir den Abendmahlssaal. Der ist irgendwann als Moschee umgebaut worden, so dass man die von verschiedenen Gemälden bekannt gewordene Umgebung der Tafel, an der Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl vor der Kreuzigung zu sich genommen hat, nicht erkennt. Gleich daneben befindet sich mitten in einer aktiven Moschee das Grab König Davids.
Das auffälligste Gebäude auf dem Zionsberg ist die Dormitiokirche. Sie steht an der Stelle, wo Maria, die Mutter von Jesus, gestorben ist. Die Kirche wurde von dem deutschen Kaiser Wilhelm II bei seinem Besuch in Palästina in Auftrag gegeben und von dem Kölner Dombaumeister Renard in den Jahren 1906-1910 errichtet. Der Turm sieht typisch deutsch aus. Die Spitze ist eine Pickelhaube, die Fenster sind die Augen und die Uhr die Nase. Mit viel Phantasie erkennt man sogar den Schnautzbart des Kaisers.
Der Rückweg zum Hotel führt uns durch den Suk zum Damaskustor. Die Händler versuchen mit uns ins Gespräch zu kommen, um ihre Waren anpreisen zu können. Eine beliebte Methode ist zu fragen, woher wir kommen. Wenn wir „Germany“ sagen, kramen sie in ihrem Gedächtnis, um uns mit ein paar deutschen Worten beeindrucken zu können. Die lustigste Frage nach unserer Antwort „Germany“ war: „ Bayern oder Deutschland?“ So macht es schon Spaß, durch die Gänge des Bassars zu gehen und in das bunte Treiben einzutauchen.