Für unseren Familienurlaub in diesem Jahr buchten wir ein Hotel in Malia in Kreta. Malia scheint nur für die Touristen eingerichtet zu sein. Boutiquen reihen sich an Souvenirläden, Supermarkets und Restaurants. Der Strand ist von vielen Hotels bebaut. Unser Hotel, das Alexander Beach, bietet alles, was ein Badetourist erwartet: Feiner Sandstrand, mehrere Pools, Restaurants und Bars. Das Frühstücks- und Abendbuffet ist sehr vielseitig, alles was das Herz begehrt. Da bleiben kaum Wünsche unerfüllt.
Nach zwei Tagen verlangen wir nach Abwechslung. So mieten wir ein Auto und erkunden die Umgebung. Eines der Ziele, die wir uns aussuchen, ist das Kloster der Erscheinenden Gottesmutter (Holy Monastery of the All-Holy Virgin Faneromeni of Ierapetra).
In vielen Serpentinen klettern wir mit unserem Fiat auf eine Höhe von 450 m. Während der Fahrt beeindruckt uns immer wieder das Panorama der Berge mit dem Meer im Hintergrund. Wir erreichen das Kloster, das sich an den Felsen wie eine Festung schmiegt.
Eines der wichtigsten Klöster in der Geschichte Kretas ist das Kloster der Erscheinenden Gottesmutter, das am Berghang über der minoischen antiken Stadt Gournia gebaut wurde und deshalb auch mit dem Namen Panagia (Gottesmutter) Gournion bekannt ist. Das ursprüngliche Gebäude des Klosters stammt höchstwahrscheinlich aus der zweiten byzantinischen Epoche (961-1204 n.Chr.). Das Kloster wurde später angebaut und seine Festungsarchitektur verweist auf das 16. Jahrhundert. Das Katholikon, das sich in einer Höhle befindet, ist dem Entschlafen der Hl. Gottesmutter Maria und der Lebensspendenden Quelle (Zoodochos Pege) geweiht. Das Kloster ist bekannt durch die heilige Quelle (life-giving spring), die in einer Höhle unter einem überhängenden Felsen von einem Hirten entdeckt wurde. Der Hirte soll seinen Leithammel verloren haben und suchte ihn. Er kletterte über einen abgebrochenen Felsen, von dem Wasser floss, und fand die Ikone der Theotokos (Gottesmutter). Er nahm die Ikone mit. Am nächsten Tag kletterte er wieder zu dem Felsen und fand die Ikone am alten Platz. Das wiederholte sich mehrmals. Aus diesem Grund wurde hier das Kloster begründet.
Wegen seines festungsartigen Charakters fanden hier kretische Revolutionäre während der venezianischen und türkischen Eroberungen Unterschlupf.
Seit frühester Zeit feierte man hier am 15. August das Fest Mariä Himmelfahrt. Das Wunder der erscheinenden Gottesmutter ist in Kreta und insbesondere in Lasithi und der Provinzen Pediada und Viannos bekannt. Deshalb ist der August einer der größten Pilgerzeiten in Ostkreta. In der Broschüre „Pilgrimage Guide“ des Klosters wird von vielen Wundern berichtet, die in diesem Kloster stattgefunden haben. Insbesondere sollen viele Menschen mit dem heiligen Wasser von ihren Leiden geheilt worden sein.
Das Tor steht offen als wir die letzten Meter vom Parkplatz nach oben klettern. Vor dem Tor sitzt ein Mann mittleren Alters und scheint auf uns zu warten. Ich frage ihn, ob ich denn in das Kloster hineingehen könnte. Er nickt mir freundlich zu und geht voran. Der Innenhof wird begrenzt von weiß getünchten Mauern der Gebäude. Ein Tisch mit Bänken wird beschattet von einem üppigen Baum. Das Kloster besteht aus Gebäuden, die sich in mehreren Etagen an die Felsen anschmiegen. Wir steigen zwei Etagen nach oben. Dort schließt mir mein Führer eine Tür auf, die in das Katholikon führt, das in eine Höhle eingebaut ist. Die heilige Quelle befindet sich neben der Höhle mit dem Altar in einem weiteren Raum. Ich darf zwei Kerzen anzünden und erhalte zwei Fläschchen mit dem heiligen Wasser und Öl des Klosters.