Hut ab vor den Steuerleuten unseres Schiffes, der Nile Vision, auf unserer Nilkreuzfahrt 2019!
Wir durften die Brücke besichtigen und waren überrascht.
Da wir bereits auf anderen Flussschiffen die Brücke besuchen durften, hatten wir entsprechende Erwartungen bezüglich der Ausstattung.
Der Steuermann sitzt im Schneidersitz vor einem Tableau. Dort findet man neben einigen Schaltern drei Drehzahlmesser für die drei Antriebsmaschinen sowie drei Anzeigen für die Richtung der drei Schrauben. Der Steuermann kann die Drehzahl und die Richtung der drei Maschinen mit je einem „Steuerknüppel“ einstellen.
Das war‘s.
Hier gibt es kein Sonar, keinen Tiefenmesser, kein Radarsystem, keinen Bordfunk (ich habe auch keine Walky Talky gesehen), keine Rückfahrkamera, kein GPS System. Der Nil ist für größere Schiffe nicht erschlossen. Hier gibt es keine ausgebaggerte Fahrrinne, keine Karte mit Untiefen und keine Verkehrszeichen für die Schifffahrt.
Die Fahrtroute legt der Steuermann anhand der Wellenbewegungen und der Kräuselungen der Wasseroberfläche und seiner Erfahrung fest. In schwierigen Situationen stehen links und rechts auf der Brücke jeweils weitere qualifizierte Steuerleute, die die Fahrtrichtung suchen. Bei Rückwärtsfahrten stehen hinten und vorn und jeweils links und rechts Leute, die den Steuermann über Zurufe informieren. Da das Schiff keine Bugtriebstrahlwerke hat, muss es bei schwieriger Navigation rückwärtsfahren. Das war einige Male bei Schleusen oder Drehbrücken- Durchfahrten der Fall.
Der Steuermann stellt den aktuellen Standort anhand von Geländemarken fest: hier eine Palme, da ein Felsen, eine Moschee oder eine Insel.
Unser Reiseleiter warnte uns vor, dass das Auflaufen auf Sandbänke vorkommen könnte. Im Moment ist der Wasserstand des Nils noch ziemlich niedrig und der Tiefgang des Schiffs mit ca. 1,70m zur Zeit eine Herausforderung. Unser Schiff ist das erste, das in diesem Jahr die Tour von Luxor nach Kairo macht.
Und das beherrschen die drei Steuerleute aus ihrer Erfahrung heraus. Ich kanns kaum glauben, dass wir unser Ziel so erreichen. Man muss den Hut vor dieser Leistung ziehen. So ist es nicht verwunderlich, dass man mindestens 20 Jahre Qualifikation benötigt, um die Lizenz zum Steuern zu erhalten.
Am nächsten Tag beim Mittagessen knirscht es unter uns – eine Sandbank! Wenn man im Speisesaal sitzt, ist die Wasserlinie kurz unter unserer Blicklinie. Somit spürt und hört man das Schleifen über dem Grund aus erster Hand.
Alles gut gegangen.
Zwei Tage später sitzen wir gemütlich in unserer Kabine und lesen. Plötzlich stellen wir fest, dass die Motoren laut werden und die Landschaft stillsteht. Unsere Kabine liegt drei Etagen über dem Speiseraum, so dass wir von dem Schleifen nichts hören. Dieses Mal scheint es ein größeres Problem zu geben. In einigen 100 m Entfernung hat es offensichtlich zwei Lastkähne auch erwischt. Zwei Stunden lang wirbeln die Schrauben immer wieder Schlamm und Sand auf, ohne dass wir wirklich einen Meter vor- oder zurück kommen. Dann legt ein Schlauchboot bei uns an. Ein langes armdickes Seil wird zum Ufer geschleppt und dort an einigen Bäumen verankert. Jetzt wird das Seil eingewickelt und unser Schiff von der Sandbank gezogen. Mittendrin erscheint ein Schlepper, der uns sicher hätte helfen können. Da wir fast frei sind, kehrt er unverrichteter Dinge wieder um. Einer unserer Steuermänner steigt in das Schlauchboot und lotet die Wassertiefe mit einer langen Stange. Nachdem er wieder an Bord ist, fahren wir ohne weitere Beeinträchtigungen weiter.
Als wir anlegen, sind wir überrascht, wieder am Startpunkt des Tages angelangt zu sein. Wir haben mehr als vier Stunden gebraucht, um von der Sandbank freizukommen. Damit hat die verbleibende Fahrzeit nicht ausgereicht, um an das Tagesziel zu gelangen.
Morgen auf ein Neues!