Ein Besuch führte uns dieses Jahr nach Erlangen. Da versuchten wir, die „Seele“ der Stadt zu erkennen. Worin unterscheidet sich die Stadt von anderen? Die Uni ist prägnant genauso wie die „Siemens Stadt“ oder die modernen Einkaufszentren. Das sind Bereiche, die für Touristen nicht so interessant sind, außer die Enkelin studiert in Erlangen.
Interessant wird die Stadt, wenn man sich mit der Geschichte befasst.
Der Dreißigjährige Krieg muss wohl verheerend auch über Franken gezogen sein. So kam Christian Ernst Markgraf von Brandenburg-Bayreuth auf die Idee, den Hugenotten, die 1685 wegen des Edikts von Nantes viele ihrer Rechte als Staatsbürger von Frankreich verloren und ihr Heil in anderen Ländern versuchten, ein neues zu Hause zu bieten.
Er sorgte dafür, dass die Hugenotten einige Privilegien genießen konnten. Das ging teilweise so weit, dass er sie besser stellte als die eigenen Landeskinder. Dazu Historiker Prof. Dr. Helmut Neuhaus: „Das geschah keineswegs nur aus protestantisch-konfessioneller Solidarität und Hilfsbereitschaft, sondern wurde in Ausübung herrscherlicher Macht utilitaristisch genutzt.“ Das vorausschauende Ansinnen des Markgrafen war es, das Gemeinwohl in seiner Region zu verbessern. Zielsetzung war es, viel ins Ausland zu exportieren und wenig zu importieren (https://www.erlangen.info/barocke_planstadt/).
Ca. 3000 Hugenotten führte die Suche nach Franken.
Homann-Stadtplan mit sieben Randbildern von 1721
Erlangen war zu damaligen Zeit ein unbedeutendes Dorf. Der Markgraf beauftragte Johann Moritz Richter aus Thüringen mit der Planung einer neuen Stadt https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Moritz_Richter_(Architekt,_1647). Die Stadt wurde nördlich des Dorfes Erlangen an der Handelsstraße nach Nürnberg als Gewerbestadt entworfen.
Richtersches Eck: Goethestraße. Nordwesteck der Ringstraße des Richter’schen Planes
Alle Straßen schnitte sich rechtwinklig. Die Hauptstraße war doppelt so breit wie die Nebenstraßen und der Schlossplatz doppelt so gruß wie der heutige Hugenottenplatz. Der Plan gehört zu den anspruchsvollsten Planstadtentwürfen des 17. Jahrhunderts. Die Stelle im nordwestlichen Randbereich der „Idealstadtanlage“, das „Richtersche Eck“, trägt den Namen des Planers. Hier bilden die den inneren Kernbereich umschließende Ringstraße und die begleitende äußere Bebauung einen rechten Winkel. Die „Richthäuser“ hatten die Funktion, die äußeren Hausgrundstücke ringsum zusammenzuschließen. Dadurch erhielt der als offenes Rastersystem gestaltete Innenbereich der Stadtanlage seine Stabilität (https://www.erlangen.info/barocke_planstadt/). Selbst die Gestaltung der Häuser wurde weitgehend vorgegeben, wie man auf dem Homann-Stadtplan sieht.
Durch die planmäßige Anordnung, die heute zum größten Teil erhalten ist, kann man sich sehr gut auch ohne Stadtplan orientieren.
Bei unserem Spaziergang durch Erlangen haben wir Ausschau nach der ursprünglichen Gestaltung der Stadt gehalten.
In der Audioguide von Erlangen wird auf das Besoldsche Haus hingewiesen (zu hören unter der Tel. Nr. 089 210 833 052 102). Das hebt sich wirklich von den allgemeinen Wohnhäusern ab. Aber auch bei einigen anderen erkennt man den ursprünglichen Baustil.
Häuser mit ursprünglichem Baustil
Die ehemalige Sophienkirche
Der Aufbau des neuen Erlangen – der Neustadt – begann mit der Hugenottenkirche. Ich hatte wohl großes Glück, dass ich die Kirche besichtigen konnte.
Wow! Die Kirche ist kein düsterer Bau wie viele andere christliche Kirchen sondern freundlich und lichtdurchflutet Die Innengestaltung unterscheidet sich so total von den mir in Deutschland bekannten evangelischen oder katholischen Kirchen. Ein älterer freundlicher Herr, der mich zur Besichtigung eingeladen hatte, erklärte mir, dass das die einzige Kirche ohne Kerzen und Kreuz sei. Auch die Kirche sei von Johann Moritz Richter nach einem Vorbild der Kirche in Vitry-le-François entworfen worden. Der Altar ist als einfacher Tisch transportabel, so dass man problemlos einen „Open Air Gottesdienst“ abhalten konnte. Die Kirche scheint im Inneren oval zu sein. Die Sitzreihen sind im Halbkreis um die Kanzel angeordnet. Fast wie bei einem Hörsaal. Die Orgel baute Johann Nikolaus Ritter, ein Schüler von Silbermann (https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Nikolaus_Ritter).
Erlangen zog nicht nur die Hugenotten auch Deutsch-Reformierte und Lutheraner an. Für sie unterzeichnete der Markgraf Christian Ernst im Jahr 1703 den Erlass zur Gründung einer Gemeinde. Darauf hin errichtete man ab 1722 die Neustädter Kirche. Bis zur Fertigstellung hielten die Deutschen ihre Gottesdienste in der Sophienkirche ab. Die Neustädter Kirche wird seit 1837 auch als Universitätskirche benutzt. Heute bietet sie in der Sommerhitze unter dem Motto „Projekt Glühende Birne – Kühle Arbeitsplätze für Studierende“ acht kostenlose Lernplätze in der Kühle der Kirche (https://www.erlangen-neustadt-evangelisch.de/).
Der Schlossplatz, der von Johann Moritz Richter als „Grande place“ bezeichnet wurde, hat sich auf der einen Seite in einen Strandclub gewandelt. Man hat feinen Sand verteilt, worin die Kinder spielen können. Darauf Liegestühle und Sonnensegel. Leider war das Wetter nicht einladend, diesen „Strand“ zu genießen. Im Hintergrund sieht man das Schloss, welches eingerüstet ist, und mitten im „Sandstrand“ das Denkmal des Gründers der Universität, Markgraf Friedrich.
Die andere Hälfte des Schlossplatzes wird von Marktwagen eingenommen, die den Blick auf den bemerkenswerten Brunnen verstellen. Etwas später entdecken wir noch das schöne Palais Stuttenheim, das jetzt als Bibliothek und Kunstpalais benutzt wird.
Ein anderes ganz jetztzeitiges Erlebnis sind die Brauhäuser und Biergärten mit deftiger fränkischer Küche. Erlangen bezeichnet sich ja auch als Bierstadt.
Privatbrauerei Kitzmann Privatbrauerei Kitzmann Privatbrauerei Kitzmann Privatbrauerei Kitzmann Privatbrauerei Kitzmann
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